Braucht mein Kind eine Zahn­spange?

„Braucht mein Kind eine Zahnspange?
Wann eine Klammer nötig ist. Wie lange die Behandlung dauert. Welche Kosten die Kasse übernimmt“

erschienen in
Eltern Ratgeber, Ausgabe 1/2002

Braucht mein Kind eine Zahnspange?
Wann eine Klammer nötig ist.
Wie lange die Behandlung dauert.
Welche Kosten die Kasse übernimmt
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Zahnspangen sind in (fast) aller Munde: jedes Jahr bekommen über eine Million Kinder in Deutschland eine Zahnspange. Dass Kinder heute häufiger „verdrahtet“ werden als früher, hat mehrere Gründe: Die Eltern legen großen Wert auf gesunde und gerade Zähne. Außerdem kennt man heute die schädlichen Folgen von Zahn- und Kieferfehlstellungen besser als früher. Und schließlich akzeptieren heute die meisten Kinder eher eine Spange, weil sie unter den Gleichaltrigen längst kein Makel mehr sind. Selbst Erwachsene können kieferorthopädisch behandelt werden. Für Sie gibt es unsichtbare Zahnspangen, „invisalign“ genannt.

Zahnregulierung – nur wegen der Schönheit?

Makellose Zähne sind für den Kieferorthopäden ein Nebeneffekt: Er entscheidet nach medizinischen Gesichtspunkten darüber, ob die Fehlstellung später die Gesundheit beeinträchtigt. Aber was gut funktioniert und gesund ist, sieht auch gut aus!

 

Wann muss eine Spange wirklich sein?

Sitzen einzelne Zähne schief im Kiefer oder stimmt der Biss nicht, weil die Ober- und Unterkiefer nicht richtig zusammen passen, dann kann dies schon bald Folgen haben: zum Beispiel Magen- und Darmbeschwerden durch schlechtes Kauen. Oder Sprachfehler, etwa Lispeln. Falls die Zähne kreuz und quer stehen, kann es auch verstärkt zu Karies kommen. Nicht zuletzt werden Nacken- und Kiefermuskulatur, Hals und Atemwege belastet, wenn der Mund nachts beim Schlafen nicht richtig geschlossen wird.

Was sind die häufigsten Gründe für die Behandlung?

Zurückliegender Unterkiefer: Die Oberkieferfrontzähne stehen weit vor den vorderen Unterkieferzähnen.
Vorstehender Unterkiefer: Die unteren Schneidezähne beissen vor die Oberkieferzähne.
Engstand: Die Zähne stehen nicht in einem ordentlichen Bogen, sondern dicht verschachtelt.
Frontal offener Biss: Die Seitenzähne beissen aufeinander, die Frontzähne aber nicht – vorn entsteht ein Loch.

Der Grund für solche Fehlstellungen liegt manchmal in der Veranlagung, aber oft sind die Probleme hausgemacht: Daumenlutschen, Nägelbeißen, aber auch Nuckelflasche oder Schnuller als Dauertröster führen zu Verformungen. Die noch weichen Oberkieferknochen werden nach vorne gedrückt. Dadurch stehen die Frontzähne später vor. Schlecht ist es auch, wenn die Milchzähne wegen Karies zu früh ausfallen. Dann kippen die Nachbarzähne in die entstandene Lücke, die bleibenden Zähne wachsen schief heraus.

Wann sollte die Behandlung beginnen?

Die meisten Kinder bekommen Ihre Spange mit acht oder neun Jahren. Dann beginnt der Zahnwechsel. Das Kieferwachstum ist jedoch noch nicht abgeschlossen, es kann deshalb vom Kieferorthopäden gezielt gesteuert werden. Auch in der Pubertät ist eine Korrektur noch möglich, jedoch aus psychologischen Gründen schwieriger. Jetzt wird geküsst! Viele Teenager verabscheuen deshalb die lästige Klammer und gehen entsprechend damit um. Abgesehen von den Kosten – die Nachlässigkeit gefährdet auch den Erfolg der Behandlung.

Nach Ansicht des Berufsverbandes der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) könnte vielen Kindern eine langwierige Prozedur erspart werden, wenn die Eltern mit ihrem Kind schon mit fünf bis sechs Jahren zu einem Facharzt für Kieferorthopädie gehen würden. Frühzeitig erkannte Fehlstellungen lassen sich nämlich oft schon mit spielerischen (myofunktionellen) Muskelübungen oder einfachen Maßnahmen wie einer Mundvorhofplatte oder Funktionsreglern behandeln.
Ein später Behandlungsbeginn birgt die Gefahr, dass man um eine Spange meist nicht mehr herumkommt, Manchmal müssen Zähne gezogen werden, oder es ist sogar ein operativer Eingriff nötig.

Wie werden Spangenzähne sauber?
Kinder mit Zahnspange brauchen eine intensive Mundpflege:

Vor dem Zähneputzen kräftig mit Wasser oder einer speziellen Lösung spülen. Dadurch werden gröbere Speisereste entfernt. Danach die Zähne sorgfältig und systematisch mit kleinen, kreisenden Bewegungen putzen.

Den Zahnfleischrand unterhalb und oberhalb der Spange besonders sorgfältig pflegen. Munddusche und spezielle kleine „Interdentalraum-Zahnbürsten“ benutzen, um unter und zwischen der Spange putzen zu können. Besonders wichtig: jeden Abend mit Zahnseide die Zahnzwischenräume reinigen.

Herausnehmbare Spangen unter laufendem Wasser mit der Zahnbürste reinigen. Bei täglicher Pflege geht das auch ohne Reinigungstabletten.

Die Berufsverbände der Kieferorthopäden und der Kinderärzte haben sich deshalb zu einer engeren Zusammenarbeit entschlossen. Nach einem interdisziplinärem Programm untersucht der Kinderarzt die Kinder im 3., 5. und 7. Lebensjahr auch kieferorthopädisch und fahndet vorbeugend nach Zahn- und Kieferfehlstellungen.

Wie lange dauert die Behandlung im Durchschnitt?

Normalerweise muss das Kind die Zahnspange mehrere Jahre lang tragen. Selbst wenn es gelingt, die Zähne bald in die gewünschte Stellung zu bringen – so rutschen sie ebenso schnell wieder zurück.
Ob das Kind eine herausnehmbare oder eine fest sitzende Spange bekommt, hängt von der Diagnose des Kieferorthopäden ab. Nur wenige Fehlstellungen lassen sich sowohl mit dem einen als auch mit dem anderen Spangensystem beheben. Je nach Art der Fehlstellung bekommt das Kind feste Brackets, herausnehmbare Spangen oder so genannte Non-Compliance-Geräte, Apparaturen, die die Zähne bewegen, ohne dass die Mitarbeit des Kindes notwendig ist.

Wozu die Spange nach der Spange?

Viele Kinder müssen auch nach Entfernung der festen Spange noch eine Weile eine herausnehmbare Apparatur tragen. Denn leider lassen sich die Zähne nicht so schnell überlisten: „Retentionsphase“ nennt man die Zeit nach der kieferorthopädischen Behandlung, in der die Zähne in die gewünschte Position gebracht worden sind. Jetzt geht es darum, sie in dieser Stellung zu halten. Wie lange das dauert, ist von Patient zu Patient unterschiedlich.

Welche Kosten werden von der Krankenkasse übernommen?

Wenn die Behandlung medizinisch begründet ist, werden beim ersten Kind 80 Prozent, bei weiteren Kindern 90 Prozent der Behandlungskosten von der gesetzlichen Kasse sofort übernommen. Die zehn oder 20 Prozent gibt es nach erfolgreichem Abschluss der Behandlung zurück.

Allerdings gibt es seit Januar 2002 neue Richtlinien: Der Kieferorthopäde muss vor Behandlungsbeginn die Kieferfehlstellung mit einer Art Notensystem von „1“ bis „5“ beurteilen. Die Krankenkassen zahlen erst ab „3“, leichtere Abweichungen mit Note „1“ und „2“ müssen die Eltern selbst bezahlen.

Aber eine Fehlstellung mit Grad „1“ oder „2“ bedeutet nicht, dass eine Behandlung dieser Störung unnötig oder gar nutzlos wäre! Sie ist lediglich nach der neuen Kassen-Richtlinie nicht so dringlich, dass sie von den Kassen finanziert werden muss.

Dabei kann es zu geradezu skurrilen Entscheidungen kommen. Ein Beispiel: Ragen die oberen Zähne des Kindes um 6,5 Millimeter über die untere Zahnreihe hinaus, muss die Kasse die ganze Behandlung zahlen. Bei 6 Millimetern dagegen bleiben die Eltern auf den gesamten Kosten der Zahnregulierung sitzen!